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Ein Leben ohne Lesen und Schreiben - 2. Aktionstag Förderung der LSR-Kompetenzen 10.12.21

Ein Leben ohne Lesen und Schreiben

MGH rückte mit Aktionstag „Über Fakten stolpern“ ein Tabu in den Fokus

Rund 6,2 Millionen Menschen in Deutschland können nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben. Das ist jeder achte Erwachsene hierzulande. In Stadt und Landkreis Kassel betrifft das rund 41.000 Menschen. Fakten wie diese waren kürzlich am Friedrich-Ebert-Ring und an der Langen Straße auf den Bürgersteigen zu lesen. Mit dieser Aktion wollte das Team des ASB-Mehrgenerationenhauses (MGH) in Lohfelden ein Tabu in die Öffentlichkeit rücken - um für Betroffene zu sensibilisieren, die Probleme mit dem Lesen und dem Schreiben haben, und zu zeigen, dass sich niemand dafür schämen muss.

Jan Weifenbach, der im MGH den Schwerpunkt Förderung der Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen betreut, sagt: Der Aktionstag „Über Fakten stolpern“ habe dazu beitragen sollen, das Thema in die Gemeinde hineinzutragen. „Ziel war es, über das Problem zu informieren und aufzuzeigen, wo Menschen Hilfe erhalten“ – etwa beim bundesweiten ALFA-Telefon, wo sich Betroffene kostenlos und anonym informieren können oder über Lernportale im Internet oder via App.

Hilfe bei Anträgen und Behördensachen

Ebenso macht das  MGH selbst Beratungsangebote. Menschen, die nicht gut lesen und schreiben können, erhalten beispielsweise im Rahmen des neuen Beratungsangebots „Hilfe bei Anträgen und Behördensachen“ eine Hilfestellung. Jeden vierten Mittwoch im Monat von 16.30 bis 18 Uhr ist eine Mitarbeiterin vor Ort, die sich kümmert. Mit ihr kann auch ein vertrauliches Gespräch gesucht werden.

Mit Kreide niedergeschrieben waren auch Folgen, die es haben kann, wenn es mit dem Lesen und Schreiben nicht klappt – zum Beispiel: „60 Prozent der Betroffenen arbeiten in Helferjobs als Ungelernte.“ Dem gegenüber standen Botschaften, was gute Lese- und Schreibkenntnis ermöglicht: „Es gibt Sicherheit“ oder „Es macht unabhängig.“ Die Lohfeldener waren zudem eingeladen, sich an der Aktion zu beteiligen und eigene Gedanken auf den Gehwegen zu hinterlassen, was lesen und schreiben zu können für sie bedeutet.

Genau hinschauen, wo Hilfe nötig ist

Es war bereits der zweite Aktionstag, den das MGH zum Thema organisiert hat. Bereits im Sommer hatte das Team unter der Leitung von Christina Neuer Ehrenamtliche zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Ziel für das Jahr 2022 sei es, Multiplikatoren ins Boot zu holen. Dem MGH-Team ist das ein Anliegen, weil es nicht einfach ist, die Betroffenen zu erreichen: „Die meisten verheimlichen ihr Problem.“ Viele schleppten ihre Lese- und Schreibschwäche über Jahre als Geheimnis mit sich rum. Im MGH versuche man deshalb genau hinzuschauen, wo Hilfe nötig ist.

 

 

Foto: Jan Weifenbach (von links), Julia Pottek, Christina Neuer, Mirko Paeth und Petra Storck haben auf den Gehsteigen Botschaften rund ums Lesen und Schreiben hinterlassen.